Von der Saarabstimmung 1955 bis zur„Kleinen Wiedervereinigung“ 1957

Am 23. Oktober 1955 entschied sich eine Mehrheit der Saarländerinnen und Saarländer gegen das sog. Saarstatut, das ein Jahr zuvor durch die Regierungen Frankreichs und Deutschlands ausgehandelt wurde. Zwar wurde die Ablehnung allgemein so verstanden, dass ein Beitritt zur Bundesrepublik gewünscht war, jedoch gab es dazu keine Regelungen. Es musste neu verhandelt werden. Der Prozess der Wiedervereinigung erfolgte in zahlreichen kleinen Schritten und nicht über Nacht. Die Vortragsreihe beleuchtet einerseits die übergeordneten Aspekte wie die Deutsch-Französischen Beziehungen oder die wirtschaftliche Eingliederung in die Bundesrepublik, wird aber auch die Auswirkungen auf Arbeiterinnen und Arbeiter, Kunst und Umweltfragen aufzeigen.

Die Veranstaltungen finden in Kooperation mit der Staatskanzlei des Saarlandes, dem Historischen Museum Saar, der Universität des Saarlandes, dem Pariser Büro des Saarlandes sowie dem Deutschen Historischen Institut in Paris statt.

Hans-Christian Herrmann

Der 23. Oktober 1955:
Niederlage der Ja-Sager oder Scheinsieg von Heinrich Schneider?

Zur Neubewertung eines historischen Datums

in Kooperation mit der Staatskanzlei des Saarlandes und dem Historischen Museum Saar
29.10.2025 | 18:00 Uhr | Historisches Museum Saar (Schlossplatz 15 | 66119 Saarbrücken)

Das Referendum vom 23. Oktober 1955 beendete den Sonderweg der teilautonomen Saar unter Johannes Hoffmann und machte den Weg frei für den Beitritt des Saarlandes nach Artikel 23 Grundgesetz. Das Ergebnis feierten die sogenannten prodeutschen Parteien DPS, DSP (SPD) und CDU als Triumph und sahen sich als Helden, hatten sie doch den Sieg aus ihrer Sicht ohne Unterstützung, ja wohl gegen die Ambitionen von Kanzler Adenauer durchgesetzt und in der Hoffmann-Zeit ihrer Illegalisierung tapfer getrotzt.

Der Vortrag schärft den Blick auf eine neue Sicht des Abstimmungsergebnisses, dem die sogenannte kleine Wiedervereinigung 1957/59 folgte.

Es werden erhebliche Schnittmengen zwischen der politischen Entwicklung des Saarlandes der 1960er und 1970er Jahre mit den politischen Werten und Ideen eines Max Braun und Johannes Hoffmann herausgearbeitet, die nicht nur beim Blick in die Ära Hoffmann, sondern zurück bis in die Völkerbundzeit deutlich werden.

Die Frage nach den Gründen des Scheiterns des Saarstatuts wird ebenso berücksichtigt wie die Geschichte der Aufarbeitung und Erinnerung an dieses Ereignis, verbunden mit dem Plädoyer für eine längst überfällige dem Ereignis würdige Erinnerungskultur.

Dr. Hans-Christian Herrmann

Thilo Offergeld

Ein deutsch-französischer Streitfall?

Die Universität des Saarlandes im Meinungskampf 1955–1957

in Kooperation mit der Staatskanzlei des Saarlandes und dem Historischen Museum Saar
27.11.2025 | 18:00 Uhr | Historisches Museum Saar (Schlossplatz 15 | 66119 Saarbrücken)

Die 1948 auf französische Initiative gegründete Universität des Saarlandes stellte eine geradezu exemplarische Einrichtung des teilautonomen Saarstaats dar. Dessen Grundidee, deutsche und französische Elemente zu einer neuen saarländischen Politik zu verbinden, ist wohl nirgends deutlicher verwirklicht worden als in der zweisprachigen Saar-Hochschule. Hat die Universität deshalb im Abstimmungskampf 1955 und in den Umbruchjahren 1956/57 eine prominente Rolle gespielt, den Nein-Sagern verhasst als Leitinstitution der „pénétration culturelle“, den Ja-Sagern wertvoll als Modellprojekt internationaler Zusammenarbeit? Bei näherem Hinsehen finden sich derlei Annahmen nur teilweise bestätigt. Weder das Feindbild einer französischen Propagandazentrale noch das Idyll einer völkerverbindenden, „europäischen“ Hochschule werden der Realität der Saar-Uni gerecht. Der Vortrag versucht, die komplexe Position der Universität zwischen den politischen Fronten in diesen prägenden Jahren zu bestimmen und daraus Überlegungen zur neuen Rolle der Hochschule im werdenden Bundesland Saarland abzuleiten.


Dr. Thilo Offergeld studierte Geschichte, Germanistik und Historische Hilfswissenschaften an den Universitäten Bonn, Freiburg und Oxford. 1999 wurde er an der Universität Bonn zum Dr. phil. promoviert. Von 1999 bis 2001 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Historischen Institut der Universität Düsseldorf. Anschließend arbeitete er im Wissenschaftsmanagement an der Universität des Saarlandes, unter anderem in der Entwicklungsplanung, der Qualitätssicherung und als Leiter des Präsidialbüros. Seit 2021 leitet er die Arbeitsstelle Universitätsgeschichte der Universität des Saarlandes.

Dr. Thilo Offergeld
Foto: Jörg Pütz

Joana Baumgärtel

Wohnungsbau für Bergleute

Eigenheime, Werkswohnungen und institutionelle Verflechtungen im Saarbergbau

in Kooperation mit der Staatskanzlei des Saarlandes und dem Historischen Museum Saar
29.01.2026 | 18:00 Uhr | Historisches Museum Saar (Schlossplatz 15 | 66119 Saarbrücken)

Der saarländische Steinkohlenbergbau prägte nach 1945 als größter Arbeitgeber und zentraler Wirtschaftsfaktor maßgeblich die Sozialpolitik an der Saar. Besonders sichtbar wurde dies im Bergarbeiterwohnungsbau, der als Teil der Lohn- und Sozialpolitik fungierte und die Versorgung mit Werkswohnungen und Eigenheimen stabilisierte. Unter der französischen Régie des Mines de la Sarre wurde das Thema Wohnen jedoch bewusst aus der direkten Verantwortung der französischen Bergverwaltung herausgelöst: Die 1949 gegründete Stiftung für Wohnungsbau der Bergarbeiter (StWB) übernahm die Steuerung der sozialpolitischen Wohnraummaßnahmen und etablierte sich als dauerhafte, unabhängige Akteurin.

Die institutionelle Auslagerung des Wohnungsbaus entzog den Bereich des Bergarbeiterwohnungsbaus den politischen Auseinandersetzungen in einer Übergangsphase, in der andere Bereiche stark von deutsch-französischen Interessen überlagert waren. Zugleich sicherte die frühe Beteiligung an Wohnbauprogrammen der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) ab 1956 eine externe europäische Finanzierung. So blieb die Wohnraumversorgung der Bergleute in einer Phase politischer Umbrüche bemerkenswert stabil.

Joana Baumgärtel ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Kultur- und Mediengeschichte der Universität des Saarlandes und arbeitet in Projekten zur Bergbaugeschichte und Industriekultur. Ihr Dissertationsprojekt untersucht sozialpolitische Verflechtungen zwischen Bergarbeitern, Unternehmen und Staat im saarländischen Steinkohlenbergbau. Publikationen u. a. zum Arbeiterwohnungsbau und zu Formen bergbaubezogener Eigenheimförderung nach 1945.


Ines Heisig

Ein Dorn im Auge“

Die Gründung der saarländischen Polizeibeamtenvereinigung VSP und ihr Weg zur Gewerkschaft der Polizei

in Kooperation mit der Staatskanzlei des Saarlandes und dem Historischen Museum Saar
26.02.2026 | 18:00 Uhr | Historisches Museum Saar (Schlossplatz 15 | 66119 Saarbrücken)

Die Anfänge der Gewerkschaft der Polizei des Saarlandes (GdP Saar) sind das Thema des Vortrags von Ines Heisig. Die Historikerin arbeitet die Anpassungskonflikte der Nachkriegspolizei in dieser von mehreren Umbrüchen gekennzeichneten Phase heraus und betrachtet dabei die politische Säuberung, die teils katastrophalen Verhältnisse hinsichtlich Ausstattung, Infrastruktur und Arbeitsbedingungen sowie den Aufbau der 1951 gegründeten, aber politisch ungewollten Interessensvertretung VSP (Vereinigung saarländischer Polizeibeamter). Trotz ausgesprochen starkem Rückhalt in der Polizei konnte sich aus Sicht des Vorstandes die Vereinigung erst nach dem Abstimmungskampf im Saarland 1955 positiv entwickeln. Sie nannte sich 1956 in „Vereinigung Deutscher Polizeibeamter an der Saar“ (VDSP) um und schloss sich schließlich 1957 der Bundes-GdP an. Damit setzte ein tiefgreifender Wandel von einer reinen Berufsvertretung hin zu einer modernen Gewerkschaft ein.

Dr. Ines Heisig ist Referentin im Dokumentationszentrum der Arbeitskammer und wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich Historisch orientierte Kulturwissenschaften an der Universität des Saarlandes. Als Historikerin und Kulturwissenschaftlerin arbeitet und lehrt sie interdisziplinär zu sozial- und kulturhistorischen Themen sowie im Bereich der Public History. 2022 erschien ihr Buch „Protest im Uniform – 70 Jahre Gewerkschaft der Polizei im Saarland“. Aktuell arbeitet sie an einem Forschungsprojekt zu den Ford-Werken in Saarlouis.


Frank Hirsch

Auferstanden aus Ruinen

Der schwierige Neubeginn der saarländischen Gewerkschaften nach der „kleinen Wiedervereinigung“

in Kooperation mit der Staatskanzlei des Saarlandes und dem Historischen Museum Saar
26.03.2026 | 18:00 Uhr | Historisches Museum Saar (Schlossplatz 15 | 66119 Saarbrücken)

Durch die saarländischen Gewerkschaften ging in der Frage der Zukunft des autonomen Saarlandes ein tiefer Riss: Während eine Fraktion die Unabhängigkeit mit starker Anlehnung an Frankreich befürwortete, stritt die andere vehement für eine Vereinigung mit der Bundesrepublik. In der Unversöhnlichkeit der Positionen, die in der Volksabstimmung zum Saarstatut ihren Höhepunkt fand, setzte sich die Spaltung der gesamten Gesellschaft in den Gewerkschaften fort. Im Zentrum stand der mächtige Industrieverband Bergbau, der sich über diese Frage entzweite. Das autoritäre Eingreifen der Hoffmann-Regierung in diesen Konflikt verstärkte zudem die Polarisierung. Letztlich erodierte deswegen auch die Zustimmung zum großen Projekt der Europäisierung der Saar.

Der Vortrag soll die Konfliktlinien nachzeichnen und den schwierigen Neustart der Gewerkschaftsbewegung nach der Saarabstimmung darstellen, die nicht nur in die westdeutschen Strukturen eingebunden werden, sondern sich auch versöhnen musste.


Dr. Frank Hirsch (Jg. 1974), studierte Neuere Geschichte, Wirtschafts- und Sozialgeschichte sowie Politikwissenschaft an der Universität des Saarlandes und der University of Technology, Sydney. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter promovierte er an der Universität des Saarlandes zur Geschichte jüdischen Lebens in der Saarregion im 19. Jahrhundert. Er leitet das Dokumentationszentrum der Arbeitskammer des Saarlandes und forscht dort zur saarländischen Arbeiterbewegung und Gewerkschaftsgeschichte.

Dr. Frank Hirsch (Foto: Arbeitskammer)

Reiner Marcowitz

Vom Konflikt zur Kooperation

Die Saarfrage als wichtige Wegmarke der deutsch-französischen Aussöhnung nach dem Zweiten Weltkrieg

in Kooperation mit der Staatskanzlei des Saarlandes, dem Pariser Büro des Saarlandes und dem Deutschen Historischen Institut Paris
29.04.2026 | 18:00 Uhr | Deutsches Historisches Institut Paris (Hôtel Duret-de-Chevry | 8 rue du Parc-Royal | 75003 Paris)


Jonas Kaesler

Kohle, Umwelt und Grenze

Zwei Jahrhunderte Umweltverschmutzung und die Verhandlung des (Grenz-)Raums

in Kooperation mit der Staatskanzlei des Saarlandes und dem Historischen Museum Saar
07.05.2026 | 18:00 Uhr | Historisches Museum Saar (Schlossplatz 15 | 66119 Saarbrücken)


Ralf Banken

Alte Strukturen, große Hoffnungen

Die Saarwirtschaft vor der Eingliederung in die Bundesrepublik 1956

in Kooperation mit der Staatskanzlei des Saarlandes und dem Historischen Museum Saar
18.06.2026 | 18:00 Uhr | Historisches Museum Saar (Schlossplatz 15 | 66119 Saarbrücken)


Gabriele Clemens

Aufbruch in die Moderne

Das Saarlandmuseum

in Kooperation mit der Staatskanzlei des Saarlandes und dem Historischen Museum Saar
24.09.2026 | 18:00 Uhr | Historisches Museum Saar (Schlossplatz 15 | 66119 Saarbrücken)


Salvatore Pisani

Städtebau als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln

Zum Wiederaufbau des Saarlands 1945–1955

in Kooperation mit der Staatskanzlei des Saarlandes und dem Historischen Museum Saar
22.10.2026 | 18:00 Uhr | Historisches Museum Saar (Schlossplatz 15 | 66119 Saarbrücken)