Das Saarland

Vom Mandatsgebiet des Völkerbundes zur staatlichen Autonomie

Die Schaffung des Saargebietes nach dem Versailler Vertrag schuf ein neues Verwaltungsgebiet, das unter dem Mandat des neu gegründeten Völkerbundes stand. Wie weit gingen die politischen Partizipationsmöglichkeiten der nun erstmals als „sarrois“ – „saarländisch“ betitelten Bevölkerung? Welche Unterschiede und Kontinuitäten finden sich zur Zeit des Autonomen Saarlandes nach dem Zweiten Weltkrieg? Die erstmalige Wahl des Landesrates vor 100 Jahren, am 24. Juni 1922, und die Wahl der Verfassungsgebenden Versammlung vor 75 Jahren, am 5. Oktober 1947, geben Anlass diese Fragen genauer zu betrachten. Zur Beantwortung dienen dabei nicht allein Forschungen zur politischen Geschichte, sondern gleichfalls kulturhistorische Ansätze.


21.4. – Gabriele B. Clemens

Politische Partizipation und Konflikte (1920-1935)

Den Menschen an der Saar wurde aufgrund der Abtrennung vom Deutschen Reich und der Bestimmungen des Versailler Vertrages elementare demokratische Grundrechte 1920-1935 vorenthalten. Thematisiert wird, welche Möglichkeiten der Politischen Partizipation sie auf lokaler und regionaler Ebene dennoch wahrnehmen konnten und wie sie jede Chance nutzen, auch abseites der politischen Arenen Politik zu machen.


28.4. – Reiner Marcowitz

Die Saarfrage nach dem Zweiten Weltkrieg

Vom deutsch-französischen Zankapfel zum Ausweis deutsch-französischer Aussöhnung ?

Der Vortrag geht der Frage nach, inwiefern sich die Saarfrage nach dem Zweiten Weltkrieg von einem erbittert umkämpften Streitobjekt zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich zu einem Beleg für die erfolgreiche Annäherung, ja die beginnende Aussöhnung der ehemals verfeindeten Völker entwickelt hat.


05.5. – Bernd Reichelt

Kicken und Turnen unter Vorbehalt

Sport-Praktiken und Politik-Interessen an der Saar in der Völkerbundszeit, 1920-1935

Nach dem Ersten Weltkrieg entwickelte sich der Fußballsport an der Saar wie andernorts zu einem Massenphänomen. Exponenziell wachsende Mitgliederzahlen und stetig wachsende Heerscharen von Zuschauern ließen die Vereinskassen klingen. Von der wirtschaftlichen Blüte infolge der politischen Abtrennung des Saargebiets von Deutschland profitierten insbesondere spielstarke Vereine wie der FV Saarbrücken und Borussia Neunkirchen, die zahlreiche Topspieler aus Ungarn und Österreich an die Saar locken konnten. Wie sehr Professionalisierungs- und Kommerzialisierungslogiken allerdings das Selbstverständnis der Fußballvereine erschütterten beziehungsweise offenlegten, zeigte sich Ende der 1920er Jahre in der Krise des Fußballsports, der sich in Begriffen wie „Vereinsegoismus“ und „Vereinsfanatismus“ widerspiegelte.

Die eigendynamische Entwicklung des Fußballs war die eine Seite. Die andere Seite war das wachsende Interesse seitens politischer Akteure auf kommunaler, regionaler und im Rahmen der „Saarkampagne“ in den 1930er Jahren auch auf nationaler Ebene. Im Sport sollte die „deutsche Saar“ inszeniert werden, sollte der Fußballplatz als Inszenierungsraum dienen. Die politische Indienstnahme traf auch auf die Turnvereine an der Saar zu. Dies war nicht nur erfolgreich, weil sie dort aufgrund der traditionellen nationalpolitischen Grundhaltung in der Deutschen Turnerschaft auf fruchtbaren Boden traf, sondern auch, weil die führenden Turnfunktionäre an Saar mehr als gewillt waren, aktive „Volkstumsarbeit“ zu leisten, wie insbesondere bereits die Rheinische Jahrtausendfeier im Jahr 1925 zeigen sollte.

Der Vortrag konnte aufgrund technischer Probleme leider weder gestreamt noch aufgezeichnet werden.


19.5. – Dominik Schmoll

Zwischen Kaiserreich und Völkerbund

Die Entstehung des Saargebietes in den Krisenjahren 1918-1920

Der Waffenstillstand im November 1918 bedeutete für die Menschen an Saar und Blies zwar das Ende des „Großen Krieges“, doch Lebensmittel und Versorgungsgüter blieben weiterhin Mangelware. Mit der Besetzung der linksrheinischen Gebiete durch die französischen Truppen erfolgte schon bald eine zunehmende Beeinflussung der Bevölkerung, strebte man doch in Paris die Angliederung des Industriereviers an. Dort, in der französischen Hauptstadt, begann im Januar 1919 die Friedenskonferenz, bei der sich die Saarfrage sich zu einem Konfliktthema entpuppte. Während schließlich mit dem Völkerbundmandat ein Kompromiss gefunden werden konnte, entwickelte sich im Zeichen der zunehmenden Teuerung ein „Pulverfasse“, das im Oktober 1919 mit Ausschreitungen, Plünderungen und dem ersten saarländischen Generalstreik der Geschichte explodierte. Die Einsetzung der Regierungskommission im Februar 1920 löste zwar die Militärverwaltung ab, doch zeigten sich auch unter den neuen Verhältnissen die starke Hand Frankreichs über dem Saargebiet.


09.6. – Jens Späth

(R)Emigrantenschmerzen

Saarländische Lebensgeschichten zwischen Exil, Nation und Europa

Zahlreiche Saarländerinnen und Saarländer gingen 1935 aus politischen Gründen ins Exil, naheliegender Weise häufig zunächst nach Frankreich. Die meisten dieser Emigranten kehrten nach 1945 zurück und beteiligten sich aktiv am politischen, sozialen und kulturellen Wieder- und Neuaufbau der Saarregion, einige von ihnen auch in Führungspositionen und bei der Erarbeitung der saarländischen Landesverfassung. Der Vortrag beleuchtet aus konkreten lebensgeschichtlichen Perspektiven zum einen die in der Völkerbundszeit und während des Exils gemachten Erfahrungen und erzeugten Erwartungen, zum anderen die Erfolge, aber auch die Enttäuschungen der Akteure in der neuen Phase staatlicher Autonomie. Denn trotz der Meinung vieler zurückgekehrter NS-Gegner, nun werde alles besser werden, trafen sie bei der in der Saarregion verbliebenen Bevölkerung teils auf harsche Ablehnung oder gerieten untereinander in Streit. Anhand dieser biographischen Prägungen soll es darum gehen, die Ursachen für den Übergang von Erwartungs- zu Enttäuschungsüberschüssen nach 1945 im Spannungsfeld von Region, Nation und Europa besser zu verstehen.


23.6. – Hans-Christian Herrmann

Pinguin, Pingusson oder Generation Paris?

Das eigentliche Wunder an der Saar

Ein Essay über saarländische Identität, oder wie es dazu kam, dass Frankreich hier seine „treuesten Freunde“ hat.

Deutschland und Frankreich gehören zu den am engsten verbundenen Räumen Europas. Dies gilt ganz besonders für den saarländisch-lothringischen Grenzraum. Immer wieder wird in der saarländischen Selbstdarstellung vom „französischsten aller Bundesländer“ gesprochen. Für das „französische Flair“ gilt die Zeit der Saarautonomie als maßgeblich, jene Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg bis zur Saarabstimmung am 23. Oktober 1955. Sie war ein Ereignis, das seinerzeit Familien spaltete und als große Zäsur der Saargeschichte gilt. Ihr folgt die Geschichte des Bundeslandes Saarland seit 1957. Doch das Denken in so engen Zeitabschnitten wie der Jahre von 1945 bis 1955 birgt die Gefahr, Grautöne, längerfristige Entwicklungen und Zusammenhänge der Saargeschichte zu übersehen. Für das „französische Flair“ gilt die Autonomiezeit sozusagen als „Kronzeuge“, füllte doch die Wirtschaftsunion Regale und Schaufenster mit französischen Produkten. Für die Orientierung an Frankreich sollte diese Zeit zwar prägend sein, gleichwohl ist die Autonomiezeit als Zäsur zu relativieren. Deutlich wird dies, wenn das Konsumverhalten der Saarländer über längere Zeiträume betrachtet wird. Wir müssen 100 Jahre Saargeschichte mit den beiden Abtrennungen 1920 und 1945 zusammen in den Blick nehmen und dürfen auch die Zeit der Reichslande Elsass-Lothringen (1871-1918) nicht ausblenden. Der Konsum und die wirtschaftliche Entwicklung spielten, wie zu zeigen sein wird, für den deutsch-französischen Kulturtransfer an der Saar eine wichtige Rolle.


30.6. – Clemens Zimmermann

Kinolandschaften an der Saar

Politische Einflüsse und Publikumspräferenzen

Im Saarland entwickelte sich das ins-Kino-gehen sehr früh zu einer intensiv und gerne gepflegten Freizeitbeschäftigung, zunächst in den Arbeitergemeinden. In den folgenden Jahrzehnten differierten zwischen Stadt und Land weniger die Besucherzahlen als die Programmangebote. Auf der Basis neuer Quellenauswertungen ist es möglich, dem Filmangebot und den (keineswegs damit identischen) Präferenzen des Publikums auf quantitativer wie qualitativer Ebene nachzuzugehen. Welche Filmgenres waren im Saarland besonders beliebt? Wie wurde der Kinobesuch beworben? Mit der rasanten Ausbreitung des Fernsehens nach 1955 und der wachsenden Verfügbarkeit von Autos ging der Kinobesuch drastisch zurück und stellten sich die verbliebenen Kinos auf ein jugendliches Publikum ein.

Für die Präsenzveranstaltung im Landtag des Saarlandes (Willi-Graf-Saal, 19 Uhr) wird um vorherige Anmeldung (HIER) unter Nennung des Vortragsdatums gebeten.


07.7. – Christoph Brüll

Die Großregion in zwei Nachkriegszeiten

Grenzgeschichtliche Perspektiven auf Kontinuitäten und Brüche

Die “sorties de guerre” 1918 und 1945 haben die heutige Großregion – wie viele andere europäische Grenzregionen – stark geprägt. Offensichtlichster Ausdruck waren diverse Verschiebungen von staatlichen Grenzen mit ihren politischen, kulturellen, sozialen und ökonomischen Folgen. Die Beziehungen zwischen Staaten, aber auch zwischen Bewohnern mussten neu konfiguriert werden. In der historischen Analyse treten neben diesen Brüchen jedoch auch Kontinuitäten auf. Der Vortrag geht dieser Thematik aus der Sicht der Grenzgeschichte nach und fragt nach der sozialen Funktion von Grenzen in der Großregion nach den beiden Weltkriegen.

Für die Präsenzveranstaltung im Landtag des Saarlandes (Willi-Graf-Saal, 19 Uhr) wird um vorherige Anmeldung (HIER) unter Nennung des Vortragsdatums gebeten.


14.7. – Birgit Metzger

Carbon Democracy an der Saar?

Der Bergbau und die Bergleute

Die Schaffung des Saargebietes nach dem Versailler Vertrag schuf ein neues Verwaltungsgebiet, das unter dem Mandat des neu gegründeten Völkerbundes stand. Wie weit gingen die politischen Partizipationsmöglichkeiten der nun erstmals als „sarrois“ – „saarländisch“ betitelten Bevölkerung? Welche Unterschiede und Kontinuitäten finden sich zur Zeit des Autonomen Saarlandes nach dem Zweiten Weltkrieg? Die erstmalige Wahl des Landesrates vor 100 Jahren, am 24. Juni 1922, und die Wahl der Verfassungsgebenden Versammlung vor 75 Jahren, am 5. Oktober 1947, geben Anlass diese Fragen genauer zu betrachten. Zur Beantwortung dienen dabei nicht allein Forschungen zur politischen Geschichte, sondern gleichfalls kulturhistorische Ansätze.