36. Marcus HAHN: Das Saarland im doppelten Strukturwandel 1956-1970. Regionale Politik zwischen Eingliederung in die Bundesrepublik Deutschland und Kohlekrise
Nach den hektischen Wochen vor dem Referendum vom 23. Oktober 1955 stand zu erwarten, dass die Geschichte des Saarlandes in ruhigere Fahrwasser führen würde. Unbegründet waren derartige Hoffnungen nicht, hatte doch die klare Ablehnung des europäischen Statuts für das Saarland einen Konflikt gelöst, der in den vorangegangenen Jahren im Saarland wie auf internationaler Ebene für heftige Auseinandersetzungen gesorgt hatte. Vertrauen in eine positive Zukunft konnte auch auf der in voller Blüte stehenden Montanindustrie begründet werden, die vielen als Grundlage der regionalen Prosperität galt. Tatsächlich kam vieles anders, traten neue und unerwartete Schwierigkeiten auf. Schon mit der Eingliederung in die Bundesrepublik waren viele Enttäuschungen verbunden; noch größere Verunsicherung riefen die 1958 einsetzenden Probleme im Bergbau hervor. Konsumentenproteste, Bergarbeiterstreiks und eine in der Wirtschaftskrise der Jahre 1966/67 erstmals
wieder spürbar werdende Arbeitslosigkeit waren die Folge.
Die vorliegende Arbeit geht von der These aus, dass diese Krisenerscheinungen als Ausdruck eines doppelten Strukturwandels zu verstehen sind. Die Veränderung der politischen Rahmenbedingungen, die die Umwandlung des teilautonomen Saarstaates in ein Bundesland mit sich brachte, und die regionalwirtschaftlichen Auswirkungen des sektoralen Strukturwandels in der Energiewirtschaft beeinflussten sich gegenseitig. Dadurch wurde der regionale Strukturwandel in einem komplexen Prozess zum Problem der Landespolitik.