Jahresvorträge der Kommission
Jahresvortrag 2025
Der Fälscher Heinrich Schaeffer (1837–1884)
Eine grenzüberschreitende Biographie zwischen Nennig, Rom und Nizza
Dr. Alexander Hilpert
in Kooperation mit dem Historischen Museum Saar
30.10.2025 | 18:15 Uhr | Historisches Museum Saar (Schlossplatz 15 | 66119 Saarbrücken)

Heinrich Schaeffer verließ 1855 als junger Handwerker den Saar-Mosel-Raum und kehrte 1866 als gefeierter Künstler zurück. In Nennig versuchte er sich an der römischen Villa als Archäologe und täuschte mit gefälschten Malereien und Inschriften die regionalen Eliten in den Geschichtsvereinen. Nachdem ihn Theodor Mommsen als Hochstapler entlarvt hatte, ging Schaeffer nach Rom, wo er als antiklerikaler Journalist mit Falschmeldungen und Verschwörungserzählungen die Öffentlichkeit beeinflusste. Nachdem der Kontakt zu seiner Familie in Trier und Saarbrücken längst abgebrochen und er in Stuttgart bereits für tot erklärt worden war, gelang es ihm um 1880 erneut, die regionalen Eliten in Nizza mit Kunstfälschungen zu betrügen und die französische Kunstgeschichte nachhaltig zu verfälschen. Der Vortrag stellt die grenzüberschreitende Biographie und die Fälschungsstrategien eines nahezu vergessenen Protagonisten der saarländischen Landes- und europäischen Kulturgeschichte vor.
Dr. Alexander Hilpert ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Neuere Geschichte und Landesgeschichte und leitet die Lernwerkstatt „Geschichtsunterricht digital“ an der Universität des Saarlandes. Seine 2025 erschienene Dissertation, die Gegenstand des Vortrages ist, wurde mit dem Dr.-Eduard-Martin-Preis der Universitätsgesellschaft des Saarlandes ausgezeichnet und war für den Hedwig-Hintze-Preis des Verbands der Historiker und Historikerinnen Deutschlands nominiert.

Jahresvortrag 2024
Die Residenz der Saarbrücker Grafen
Entwicklung von Burg und Schloss auf dem Felsen an der Saar
Simon Matzerath
in Kooperation mit dem Historischen Museum Saar
21.11.2024 | 18:15 Uhr | Schlosskeller Saarbrücken (Schlossplatz 1-15 | 66119 Saarbrücken)

Der Saarbrücker Schlossplatz gilt als Vorzeigeort des Saarlandes, zu dem politische Gäste regelmäßig eingeladen werden. Der Zustand des heutigen Schlosses in Alt-Saarbrücken entspricht kaum noch dem Charakter der ehemaligen fürstlichen Residenz des 18. Jahrhunderts. Was hatte sich seit der Barock-Zeit verändert? Und eigentlich noch spannender: Was ist überhaupt über die Vorgängerbauten bekannt? Die Saarbrücker Grafen lebten schon seit dem 11. Jahrhundert auf dem Schlossfelsen. Forschungen der letzten Jahre haben zu neuen Erkenntnissen und Theorien geführt. Manche früheren Einschätzungen mussten inzwischen revidiert werden. Unsere Vorstellungen von der Saarbrücker Burg des Mittelalters, dem versuchten Ausbau zu einer Festung im 15. und 16. Jahrhundert sowie des ersten Schlossbaus aus der Renaissancezeit haben sich verändert. Zu jeder Zeit sind es dabei die Menschen, deren Geschichten die Entwicklung beeinflusst haben. Der Vortrag lädt zu einer Reise zu den Ursprüngen der Herrschaft in der Region ein und liefert erstmals einen Überblick zum Thema.
Jahresvortrag 2023
1848/49 nach 175 Jahren
Kritische Perspektiven auf eine demokratiegeschichtliche Vereinnahmung
Prof. Dr. Theo Jung
In einer Zeit, in der die Demokratie vielfach als von innen wie von außen bedroht wahrgenommen wird, ist Demokratiegeschichte gegenwärtig in aller Munde. Im Schulunterricht, an außerschulischen Lernorten, bei Gedenkveranstaltungen, in Ausstellungen und auf Festivals zeigt sich das Bemühen, die Auseinandersetzung mit der Geschichte für politische Bildungszwecke fruchtbar zu machen. Gleichzeitig haben solche Schwerpunktverschiebungen auch in der Geschichtswissenschaft neue Auseinandersetzungen mit der Demokratiegeschichte hervorgerufen. In Debatten über die Licht- und Schattenseiten des Kaiserreichs, über die Hohenzollern im Nationalsozialismus und über Hedwig Richters Versuch, die Demokratiegeschichte publikumswirksam als eine „deutsche Affäre“ zu erzählen, prallen unterschiedliche Positionen teilweise mit erheblicher rhetorischer Wucht aufeinander. Mit Blick auf das laufende 175-jährige Jubiläum fragt Theo Jung nach den Implikationen dieses neuen geschichtspolitischen Paradigmas für die historische Auseinandersetzung mit den Revolutionen von 1848/49. Inwiefern lassen sich die Ereignisse dieser Jahre als „demokratischer Aufbruch“ erzählen und wie verschiebt sich das Verhältnis zwischen historischen und gegenwärtigen Perspektiven, wenn die Komplexität des Revolutionsgeschehens auf die Vorgeschichte unserer Gegenwart reduziert wird?
Theo Jung ist Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. In seiner Forschung beschäftigt er sich mit den kulturellen und politischen Transformationsprozessen in Europa vom späten 18. bis zum frühen 20. Jahrhundert. Unter anderem als Mitglied im Beirat der neuen Bundesstiftung „Orte der deutschen Demokratiegeschichte“ engagiert er sich darüber hinaus an der Schnittstelle zwischen Geschichtswissenschaft und Geschichtspolitik.
Jahresvortrag 2022
Kohle, Ruß und Schlamm
Die französische Montanindustrie und saarländische Umweltkonflikte, 1950er bis 1970er Jahre
Dr. Jonas Kaesler
Um aus den Erfahrungen der Vergangenheit Lehren zur Lösung heutiger Krisen abzuleiten, sollten auch Umweltkonflikte in einen größeren Kontext gestellt werden. Jonas Kaesler wird in seinem Vortrag his-torische Umweltkonflikte im saarländisch-französischen Grenzgebiet beleuchten, die angesichts der derzeitigen Fragen nach Nutzen und Konsequenzen der fossilen Energiewirtschaft kaum aktueller sein könnten. Als Folge der industriellen Verschmutzung durch die französische Kohleindustrie in den 1950er Jahren kam es zur Konstituierung saarländischer Initiativen, die die Verschmutzung der Luft und der grenzüberschreitenden Flüsse durch die französische Kohleindustrie kritisierten. Die französischen Verursacher der Umweltverschmutzung im Grenzgebiet zwischen Kleinblittersdorf und Großrosseln wiesen ihre Verantwortung für stinkende Gewässer und rußhaltige Luft jahrelang zurück. Der Vortrag rekonstruiert die Entstehung, den Verlauf und das Ergebnis eines Umweltkonflikts, der in seinem „lokalen Kontext transregional, und in seinem europäischen Kontext transnational“ war, so Jonas Kaesler. Die Auswirkungen umweltverschmutzender Aktivitäten zogen, wie im Fall der saarländisch-französischen Umweltdebatte, soziale, ökonomische und politische Kreise, die weit über den eigentlichen lokalen Kern des Konflikts hinauswuchsen.
in Kooperation mit der Stiftung Demokratie Saarland
Dr. Jonas Kaesler ist aktuell Referent im Nachhaltigkeitsmanagement der Fraport AG und arbeitet in diesem Kontext als Fach- und Kommunikationsexperte im Themenbereich Ökologie, Ökonomie und Soziales. Zuvor arbeitete er im Nachhaltigkeitsmanagement bei Union Investment Institutional und half dort maßgeblich beim Aufbau eines zentralen Nachhaltigkeitsbereichs mit. 2019 schloss er seine Promotion mit dem Thema „Umweltverschmutzung und Umweltdebatte im deutsch-französischen Grenzgebiet, 1945 bis in die siebziger Jahre“ ab, die im August 2022 veröffentlicht wird. Von 2015 bis 2017 war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter des deutsch-französischen Projekts Saisir l’Europe, Forschungsachse Nachhaltigkeit, an der J.W.-Goethe Universität in Frankfurt am Main tätig.
Jahresvortrag 2021
Siebzig Saarjahre – 1951-2021 – Siebzig Jahre Identitätssuche
Prof. Dr. Armin Heinen
Als das Saarland 1947 als teilautonomer Staat gegründet wurde, beabsichtigte man von Seiten der ersten Landesregierung den Saarländerinnen und Saarländern eine eigene – historische – Identität zu geben. Unter anderem zu diesem Zwecke wurde die Kommission für Saarländische Landesgeschichte und Volksforschung durch Verordnung der Regierung Hoffmann im Juni 1951 gegründet. Sie sollte dies durch die wissenschaftliche Erforschung der Landesgeschichte bewerkstelligen. Siebzig Jahre danach kann die Kommission mit zahlreichen Veranstaltungen und 55 veröffentlichten Publikationen auf eine beachtliche Bilanz zurückschauen.
Der Vortrag „Siebzig Saarjahre – 1951-2021 – Siebzig Jahre Identitätssuche“ des Aachener Historikers Armin Heinen wird die Geschichte der Kommission für Landesgeschichte sowie die des Saarlandes in den letzten Jahrzehnten näher beleuchten.


